6. März 2011

Dich schlafen sehen.

"Ich spürte, dass ich nur eine Chance hatte, wenn ich bereit war, eine Menge von mir einfließen zu lassen. Das Buch sagt eine Menge über mich, über meine Jugend, meine Träume, meine Ängste." Genau hier liegt der Schlüssel zu der Glaubwürdigkeit des Erzählten. Denn Anne-Sophie Brasme ist genauso jung wie ihre Hauptfigur und nur allzu vertraut mit den Problemen und Ängsten der Pubertät. Selbstzweifel, Minderwertigkeitskomplexe, der Wunsch nach Selbstbestätigung in einer Freundschaft oder Clique - jeder hat sie durchgemacht, diese schwierige Zeit bis hin zum Erwachsensein, mehr oder minder intensiv, die einen erinnern sich noch gut, die anderen weniger. Doch Anne-Sophie Brasme braucht sich nicht zu erinnern, sie muss nicht rekapitulieren, sie kann aus ihrer Gegenwart schöpfen. Dass sie darüber hinaus fähig ist, diese Gefühle literarisch bis ins Extrem zu entwickeln, bis in diesen Wahnsinn, der Charlène schließlich alle Moral vergessen lässt, ist ohne Zweifel eine herausragende Leistung. Und auch wenn der Leser Charlène am Schluss vielleicht nicht wirklich versteht, wenn sie sagt: "Ich habe begriffen, dass die einzige Möglichkeit [meinen Wahnsinn] zum Schweigen zu bringen, darin bestand, ihm ins Auge zu sehen und alles zu tun, was er befahl", so kann er den Lauf der Dinge doch ohne weiteres nachvollziehen.

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